Claudia Schattach: Ansichten einer Kurzsichtigen

Aufmerksamkeiten

Ich sitze in meiner Küche und sehe mich um. Mein Blick fällt auf Gegenstände, die mich irritieren; weil ich sie lange übersehen und dabei vergessen habe und nun feststelle, dass sie noch existieren; weil ich nicht mehr weiß, woher ich sie habe;  oder weil ich mich eben nur zu gut daran erinnere, wie sie in meinen Besitz gelangt sind.

Dieses Fläschchen beispielsweise, das das Tageslicht nutzt, um sowohl Schatten als auch ein Leuchten an die Wand zu werfen, hat mir eine ehemalige Freundin aus Lourdes mitgebracht. Es ist bis zum Anschlag gefüllt mit geweihtem Wasser und trotzdem liegt wohl eine Art Fluch darauf. Denn die Schenkende ist mir mittlerweile nicht mehr wohlgesinnt.

Das Bild, das eine andere Freundin mir einst schenkte, ist kurz vor dem Entschlafen unserer Freundschaft von der Wand gefallen und zerbrochen. Die drei Kakteen, ein Geschenk meiner drei Freundinnen aus Teenagertagen, sind damals gleichzeitig mit unserer Freundschaft eingegangen, so auch die Pflanze einer weiteren Ex-Freundin.  Und dann ist da noch die Tasse, die ein enger Freund mir getöpfert hat und die um die Zeit seines Todes plötzlich einen Sprung bekam.

Manche Geschenke sind  mehr als Dinge, sie sind Aufmerksamkeiten und gelegentlich selbst mehr als Aufmerksamkeiten. Und dann nehmen sie das Enden von Liebe, Freundschaft und Respekt persönlich und fallen von Wänden und Fenstersimsen, ersticken unter Mehltau, bekommen Risse und brechen auseinander.

Nur dieses Fläschchen ist noch nicht zerbrochen, obwohl es doch allen Grund dazu hätte. Und das beunruhigt mich.

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